Sie schaffen das

„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Angst essen Seele auf, das können Sie mir glauben. Sie haben nur eine Seele, nehmen Sie Rücksicht darauf, fürchten Sie sich nicht so viel, so schlimm ist es gar nicht. Trinken Sie mehr klares Wasser. Atmen Sie bewusst, wenigstens ab und zu. Lesen Sie nicht nur Romane über Gerichtsmedizinerinnen und Serienmörder. Lesen Sie ab und zu Weltliteratur, es lohnt sich. Fangen Sie an mit John Steinbeck, „Von Mäusen und Menschen“. Interessieren Sie sich für Kunst, es muss ja nicht gleich Beuys sein. Finden Sie heraus, wann der Siebenjährige Krieg stattgefunden hat und merken Sie sich das, Sie werden sich besser fühlen. Versuchen Sie nicht herauszufinden, wer da wann warum gegen wen gekämpft hat.

Verbringen Sie mal einen Tag, ohne auf einen Bildschirm zu blicken. Finden Sie heraus, wer Ihr Bundestagsabgeordneter oder Ihre Bundestagsabgeordnete ist. Googlen Sie ihn oder sie mal ausführlich. Schenken Sie morgen Vormittag den ersten fünf Menschen, denen Sie begegnen, für ein paar Sekunden Ihre volle Aufmerksamkeit. Verstehen Sie das Wunder, dass die mit Ihnen gleichzeitig auf diesem Planeten leben und mit einem Affenzahn durch das Weltall sausen. Und auch gerne Pommes mit Mayo essen. Essen Sie jeden Tag einen Apfel. Mögen Sie unser Grundgesetz, es ist besser als sein Ruf, ein fabelhaftes Teil. Lesen Sie mal drin rum, besonders im vorderen Teil. Sprechen Sie mal mit Ihren Geschwistern darüber, was Ihre Mutter Ihnen in der Kindheit zu essen gekocht hat. Umarmen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin sofort, wenn Sie nach Hause kommen. Wenn er oder sie sich dagegen wehrt, haben Sie ein Problem, das gelöst werden muss. Die Lösung liegt bei Ihnen. Fassen Sie mal das Verkehrsschild an, das Ihrer Wohnung am nächsten liegt, und stellen Sie sich den Menschen vor, der es dort montiert hat. Nehmen Sie Fußball nicht so ernst.

Bleiben Sie dran an der Weltliteratur: Stefan Zweig, „Schachnovelle“. Lachen Sie sich mal im Spiegel an. Danach aus. Verbringen Sie noch einen Tag, ohne auf einen Bildschirm zu blicken. Besuchen Sie einmal einen Soldatenfriedhof, es ist nicht weit. Machen Sie regelmäßig Spaziergänge an einem fließenden Gewässer. Seien Sie nicht so oft zornig, Sie sind ja nicht mehr vier Jahre alt. Machen Sie öfter mal mit. Fragen Sie nicht wobei, das wissen Sie doch. Geben Sie sich mal das Klarinettenkonzert von Mozart, das aus „Jenseits von Afrika“, Sie wissen schon. Gehen Sie jetzt richtig los auf die Weltliteratur: Mark Twain, „Huckleberry Finn“, am besten die Ausgabe mit den Illustrationen von Walter Trier.

Glauben Sie nicht alles, wovon Sie überzeugt sind. Folgen Sie nicht jedem Ratschlag. Sie sind doch erwachsen. Aber auch nicht keinem. Fragen Sie nicht, was 2017 Ihnen gebracht hat, sondern fragen Sie, was Sie 2017 gebracht haben. Ziehen Sie aus Ihrer Antwort Ihre Schlüsse für 2018. Na los. Sie schaffen das.

Beste Wünsche für ein Hammer-2018.

Ihr Mitbürger Michael Ritz“

In diesem Sinne: Einen guten Übergang in das neue Jahr und ein wundervolles 2018!

Quelle: Andere Zeiten e.V., Sonnabend, 30. Dezember 2017, Zwischen den Jahren.

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